22
Jan

Tag 10 : Wir sitzen fest...

Liebe Blogleser und Blogleserinnen. Ich dachte eigentlich, gestern wäre der Pleiten- und Pannentag gewesen. Aber heute hat alles getoppt, was ich bisher in Island erlebt habe. Zumindest hatte ich heute den schlimmsten Sturm hier auf der Insel und auch meine erste Rettung durch ein Rescue-Team. Aber nun schön der Reihe nach. Eigentlich fing alles super an. Nach dem obligatorischen Check der Straßen (blau = slippery, orange=spots of ice - also alles normal…) und dem Blick auf das Wetter (bewölkt, im Süden starker Wind – also im Norden alles gut) fuhren wir frohgemut aus unserem Hotel in Stykkishólmur Richtung Snæfellsjökull also an das Westende der Halbinsel Snæfellsnes.

Wir benutzten meist Straßen mit zweistelligen Nummern, die meist als sogenannte Gravelroads ausgebaut und leider stellenweise spiegelglatt waren. Mit unserem Jeep und seinen dicken Reifen mit Spikes machten die Straßen uns allerdings kaum Probleme.


Der durchaus malerische Kirkjufell auf der Halbinsel Snæfellsnes. Bekannt auch durch den Bildschirmschoner eines bekannten Betriebssystems.

Ab und zu legten wir einen kurzen Fotostopp am Straßenrand ein und begeisterten uns an den schneebedeckten Berghängen und Lavafeldern, die im gedeckten Morgenlicht ein stimmungsvolles Motiv abgaben.


Auf der Fahrt nach Snaefellsness gab es herrliche Landschaftspanoramen zu sehen.

Im Fischerort Arnarstapi machten wir richtig Halt und begaben uns wegen der mit dickem Eis bedeckten Fußwege vorsichtig an die Küste. Dort konnte man wunderschöne Langzeitbelichtungen der an die schwarzen Basaltsäulen brandenden Wellen machen. Etwas weiter an der Küste entlang, gibt es zudem die natürlichen Felsentore aus Basalt, die heute recht dramatisch von Wellen umspült wurden. Zum Aufwärmen ging es dann in das nette Prímus Café, wo wir dem Motto des Hauses folgten und uns einen ausgesprochen leckeren Kuchen gönnten.


Hier das Motto des Cafés Primus an das wir uns natürlich gehalten haben.

Ich denke man kann sagen, dass danach das Drama begann. Wir mussten noch den langen Weg nach Blönduós zurücklegen, wo wir unser Hotel gebucht hatten. Die Straßen waren nicht besonders gut, vor allem wegen des Eisbelags, so dass wir recht vorsichtig und seeehr langsam fahren mussten. Außerdem bemerkten wir ca. 100 km vor unserem Ziel, dass der Wind sehr stark wurde und Schneeschwaden so dicht über die Straße trieb, dass diese kaum zu erkennen war. Etwas erleichtert erreichten wir schließlich die Ringstraße N1, von der wir uns Besserung erwarteten. Aber weit gefehlt. Der Sturm wurde so stark, dass wir bald nur noch im Schneckentempo vorankamen und unser Fahrer Jörg Mühe hatte, die Straßenbegrenzung zu sehen.

Etwa 30km vor unserem Hotel war plötzlich Schluss. Wir konnten kaum 20m weit sehen. Vor uns standen Autos mit Warnblinkanlage nebeneinander aber wir konnten im Gestöber nicht sehen, was vor sich ging. Jörg wagte sich nach einiger Zeit mit Spikes nach draußen. Die Straße war spiegelglatt und um unser Auto hatten sich auf der windabgewandten Seite bereits Schneewehen gebildet. Wir bekamen heraus, dass sich ein Wohnwagen festgefahren hatte und angeblich Hilfe unterwegs war. Wir saßen also fest. Nach 1-2 Stunden, so genau weiß ich das nicht mehr, fuhren ein paar riesige Schneefräsen an uns vorbei, die aber das Problem anscheinend auch nicht so schnell lösen konnten. Jörg musste immer wieder aussteigen um unser Auto vom Eispanzer zu befreien, der sich in Minuten um unser Auto bildete. Spiegel, Scheiben, Türgriffe – alles zugefroren. Nach Stunden schien sich eine Lücke aufzutun – zumindest bewegte sich unser Vordermann weiter. Obwohl überhaupt keine Sicht war bewegten wir uns an der Autoschlange auf der anderen Seite und den festgefahrenen Fahrzeugen vorbei und plötzlich – waren wir raus dem Chaos. Zumindest dachten wir das.



Hinter uns hatten sich ein paar weitere Autos eingereiht und los ging es mit der Geschwindigkeit einer Wanderdüne. Das einzige was im Schneesturm zu sehen war, war der nächstgelegene Schneepflock. Immer wieder mussten wir anhalten, weil sich am Scheibenwischer dicke Eisbrocken bildeten. Nach einem Stopp – wir waren immer noch das erste Fahrzeug, gab es einen kurzen Aufschrei, das linke Vorderrad gab nach uns wir machten einen Abflug nach unten. Uns allen fuhr der Schreck in die Glieder. Jörg hatte zwar einen Schneepflock identifiziert, aber leider den von der falschen Straßenseite. Wir saßen am Hang mit unserem Auto fest. Unsere Verfolger fuhren langsam an uns vorbei und nach fünf Autos kam nix mehr. Wir waren allein und saßen im tiefsten Schnee aber glücklicherweise unverletzt und mit heilem Auto. Was nun ? Wir saßen nun schon fast 4 Stunden im Sturm fest. Eine Besserung war nicht in Sicht.


An dieser Stelle (magenta markiert) hat es uns erwischt. Hier ist die Ringstrasse übrigens schon gesperrt. Und wir mittendrin.

Doch die Rettung nahte in Form eines freundlichen Isländers, der für uns die Polizei (112) anrief. Tatsächlich hielt nur 15 Minuten später im Nirgendwo das Polizeiauto und die freundlichen Herren schickten uns nur wenig später ein Rescue-Team mit einem Super-Jeep. Unsere Bergung dauerte trotzdem etwa eine Dreiviertelstunde. Wir bemerkten auch, dass keine weiteren Autos kamen. Die Straße musste wohl inzwischen gesperrt sein. Unsere Retter waren super. Sie befreiten uns immer wieder vom Schneepanzer, reinigten Scheibenwischer und Spiegel und gaben uns Anweisung, wie wir Ihnen zu folgen hatten, wenn Sie uns da rausgeholt hatten. Ruckzuck waren wir draußen und weiter ging es die restlichen 24 km nach Blönduos. Natürlich im Schneckentempo. Vorher klopfte einer unserer Retter noch an unsere Scheibe und meinte . 'hey, wenn wir noch mal von der Straße rutscht sehen wir euch auf jeden Fall wieder - wir sind nämlich auch aus Blönduos'. Coole Typen. Übrigens: die Rescue-Teams bestehen aus Freiwilligen. Toll! 



Im Ort angekommen winkten Sie uns freundlich zu und stellten sich vor die inzwischen gesperrte Ringstraße. Da wo unser Hotel lag. Wir waren so fertig, dass wir uns im Ort ein anderes suchten und jetzt sind wir hier. Geschafft, müde aber alle wohlauf. Morgen werden wir eine kleine Krisensitzung machen müssen, denn unser Ziel – Myvatn – werden wir wahrscheinlich nicht mehr machen können. Ich muss jetzt dringend ins Bett. Morgen sehen wir weiter. Bis dann - eure Kristin.

PS: Hier der Bericht von icelandreview.com. 60 Insassen, die im Schnee festsaßen und 4 davon waren wir...